Seiten

Samstag, 4. September 2010

Kirshna-Bewusstsein

Die traditionellen Glaubensformen in Indien sind in den letzten Jahrzehnten von drei amerikanisch inspirierten Gruppen bereichert worden.
1897 starb Ramakrishna. Durch den legendären Auftritt seines Schülers Vivekananda an der Welt-Religionskonferenz in Chigaco 1893 wurde die Lehre von Ramakrishna weltweit bekannt. Sie zeichnet sich durch eine hohe Religionstoleranz aus. Die Zugehörigkeit zu einer Kaste, Rasse, Nation, Religion spielt in der Ramakrishnamission keine Rolle. Jeder Mensch ist eine Manifestation des Göttlichen. Während sich die Ramakrishnamission auf die Sozial- und Bildungsarbeit innerhalb der Bevölkerung konzentriert, umfasst der Ramakrishnaorden eine Mönchsgemeinschaft.
Im Westen ebenfalls sehr bekannt ist Osho (zuerst wurde er Acharja Rajneesh, dann Baghwan Shree Rajneesh, und zuletzt Osho genannt). Er war Philosophieprofessor mit einer offenbar immensen Ausstrahlung. Seine Schüler formierten sich zu den Sannyasins, zogen sich orange Kleider an und lebten eine freie Sexualität. Der hochgescheite Lehrer konnte sich der Dynamik seiner Anhängerschaft und eigenen Schwächen (Sammlung von Roll-Royces) nicht immer entziehen. Nach zahlreichen Umformulierungen (z.B. wurde die freie Sexualität nach der Entdeckung von AIDS aufgegeben) und Gerichtsprozessen verlor die Bewegung an Bedeutung. Sie hatte viele Menschen geprägt, so z.B. Peter Sloterdijk.
Auf einem Höhepunkt befindet sich derzeit ISKCOM, die internationale Gesellschaft zur Förderung des Krishnabewusstseins. Sie betreibt in vielen Grossstädten grosse Zentren mit Schulen, sozialen Einrichtungen, Tempeln und bietet fröhliche Feste für die ganze Bevölkerung an. Bekannt ist ihr Gebetsruf "Hare Krishna Rama Krishna". Die Lehre wirkt sehr "reformiert". Sie ist sehr tolerant und hält auch andere religiösen Überzeugungen hoch. Swami Pradhupada war der Ansicht, dass wir uns nicht mit "Mittelsgottheiten" aufhalten sollen, sondern direkt zum göttlichen Bewusstsein gelangen können. 1965 setzte er sich in New York in einen Park und begann, Hare-Kirshna-Songs zu chanten. Er fand recht bald Anghänger, mit denen er die ISKCON gründete. Von den USA gelangt der Hinduismus wieder zurück nach Indien.
Diese drei religiösen Richtungen wirken in Indien ein bisschen fremd, halt amerikanisch. Ihnen ist aber zu verdanken, dass die alten Weisheiten aus den heiligen Schriften wieder neu formuliert und ausgelebt werden (z.B. der poppige Hare-Krishna-Song im Film Easy Rider). Der Hinduismus erfährt eine Art Erweckung oder Spiritualisierung. Allerdings bleibt dabei manches auf der Strecke, was den Indern lieb und heilig ist: schummrige Tempel, abenteuerliche Wallfahrten, Verbundenheit mit der Natur durch heilige Pflanzen und Tiere..
Die langfristig wichtigste Entwicklung ist meiner Meinung nach jedoch die Individualisierung des Glaubens. Die traditionellen Religionen Indiens denken in Familienstrukturen. Die indischen Sprachen kennen für jede einzelne Verwandtschaftsbeziehung ein spezielles Wort. Der einzelne Mensch ist in seiner Familie geborgen und verzichtet dafür auf viel Freiheit. Das bezieht sich nicht nur auf die Wahl des Ehepartners, sondern auch auf die Religion. Die "westlichen" Formen des Hinduismus sprechen hingegen nur den Einzelnen an.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen