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Donnerstag, 30. September 2010

Ayodhya-Urteil


Vor 60 Jahren begann ein Streit, der nach einer Loesung sucht. In der nordindischen Stadt Ayodhya steht die Babri-Moschee auf einem Grund, wo angeblich vor langer Zeit einmal ein Hindutempel gestanden hat. An der Stelle wird die Geburt von Gott Ram verehrt. Der Streit eskalierte erstmals 1949. Radikale Hindus verschafften sich Zutritt zur Moschee und stellten eine Ram-Figur auf. Mit dem Erstarken des nationalistischen Hinduismus (BJP und Shiv Shena) nahm der Druck auf die Moschee staendig zu. 1992 wurde die von radikalen Hindus gestuermt und zerstoert. Der Konflikt forderte ungezaehlte Gewaltopfer in Ayodhya selber und in ganz Indien. Es ist ziemlich unbestritten, dass ungebildete Inder durch gewiefte Politiker zu illegalen Aktionen angestiftet werden. Seither ist das Gelaende durch die Polizei abgeriegelt. Die Gerichte tagen. Auf heute (29. Sept) wird das vorerst letzte Gerichtsurteil erwartet. Mit Spannung, denn die Wogen sind hoch. Die Regierung hat kurzerhand das Verschicken von SMS mit Bezug auf Ayodhya verboten. Hier in Trivandrum wurden deswegen vier Jugendliche festgenommen. In Mumbai hat man 4000 Personen aus einer Kundgebung verhaftet.
Vorschlaege, wie man den Religionskonflikt loesen koennte, gibt es genuegend. Anstelle eines Tempels oder einer Moschee koennte zum Beispiel ein Spital stehen. Eine gemeinsame Nutzung im Sinn eines Hauses der Religionen sei hier in Indien hingegen undenkbar.

Nachtrag: Wie man hoffentlich auch in europäischen Zeitungen lesen konnte, ist ein "salomonisches" Urteil gesprochen worden: Das Gelände und die Gebäude werden geteilt, zwei Drittel erhalten die Hindus, einen Drittel die Muslims, die Religionsgruppen werden vom Gericht aufgefordert, miteinander eine gemeinsame Nutzung auszuarbeiten. Das Urteil überrascht und erscheint im ersten Moment ganz interessant. Auf den zweiten Blick erscheint das Urteil problematisch. Zum einen muss man fragen, weshalb nicht hälftig geteilt wird. Aus diesem Grund werden die Muslime auch Berufung einlegen. Zum zweiten ist das Urteil problematisch, weil es im Nachhinein die Gewalttaten von 1992 moralisch und juristisch ein Stück weit legitimiert. Das eigentlich Schlimme am Urteil ist gemäss einem Kommentar von Historikern die Argumentation. Die drei Richter ziehen theologische Ueberlegungen bei (z.B. ob die Moschee damals wirklich nach islamischem Recht gebaut worden war) und lassen historische Erkenntnisse ausser Acht (z.B. ist die Existenz eines urprünglichen Ram-Tempels archäologisch gar nicht sicher belegt). In Europa leben wir sehr gut mit der Trennung von Religion und Staat. Unsere Gerichte lassen die Finger von theologischen Argumentationen. Und das ist auch gut so. Einer der drei Richter in Allahamabad verstieg sich in seinem Minderheitenvotum sogar zur Behauptung, der Geburtsort von Gott Ram stelle eine juristische Person dar.

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