Wenn es so etwas wie eine Bildungsoffensive gibt, dann findet sie in Indien (und vermutlich in anderen Ländern wie China) statt. In jedem von meinen bisherigen Interviews wurde die Bildung erwähnt. Wurde ich schon vor 20 Jahren auf meinen Ausbildungsgrad angesprochen (bachelior or master), so kann heute in Indien so ziemlich jeder Abschluss und jedes Diplom gemacht werden. An den Strassenrändern und in den Zeitungen buhlen die verschiedenen Anbieter (seit ein paar privatisiert) mit ihren Zertifikaten BBA, BCA, MBA, MCA, BScIT, MScIT, PGDBA, MScCs, Ph.D, M.Tech, B.Tech usw. Manche Ausbildungen haben internationales Niveau und sind direkt von einer der englischen oder amerikanischen Top-Universitäten approbiiert. Wer einen solchen Titel hat, kann nicht nur ohne Wechsel sonstwo auf der Welt weiter studieren (was mit Schweizer Abschlüssen nicht so ohne weiteres möglich ist), sondern ist auch als Lehrperson anerkannt. Diese Bildungsangebote werden nicht nur angeboten, sondern auch fleissig genutzt.
Mit Bildung lässt sich sehr viel Geld verdienen. Bildung wird hier vor allem als Auswendiglernen und Nachvollziehen verstanden. Ein Englisch-Professor hat mir kritisch erklärt, dass er jährlich die Lizenz für seine Lehrtätigkeit erneuern muss. In einem Test muss er offene Fragen beantworten. Diese Antworten werden mit der Standart-Formulierung von zehn Experten verglichen. Stimmt die wörtliche Formulierung nicht überein, gilt die Frage als falsch beantwortet.
Aus Schweizer Sicht werden aber die handwerklichen Berufe vernachlässigt. In Indien gibt es keine Berufslehre. Die Steinbearbeiter, Mechaniker, Elektriker, Sanitäre usw. arbeiten auch entsprechend schlecht. Oft habe ich Mühe, genau hin zu schauen. Die schönsten Marmorplatten, Waschbecken, Tropenhölzer werden schon zerkratzt, angebrochen, aufgerauht und wieder geflickt, noch bevor sie verbaut sind.
Indien ist auf dem besten Weg, den Europäern die Arbeiten mit hoher Bildung abzunehmen. Uns bleibt dann die Uhrmacherkunst...
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