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Mittwoch, 21. Juli 2010

Reformationen im Hinduismus?


Wer sich mit Religionswissenschaft auseinder setzt, kann in der Geschichte einer Religion Epochen von Reformationsbestrebungen ausmachen. Deutlich wird das im Christentum. Im 15. Jhd. wurden verschiedene Missstände offen angesprochen und korrigiert: zu grosse Macht der Priester, Aberglaube unter dem Volk, geldgierige Mönche, veraltete Sprache, Übernahme der weltlichen Machtstrukturen, geringes Arbeitsethos usw. Diese Kritik hatte einerseits zur Bildung der reformierten Kirchen, andererseits zum innerkatholischen Konzil von Trient geführt. Im Christentum gab es auch andere Reformationsbestrebungen, so etwa die Bettelorden (Franziskaner) im 13. Jhd., der Pietismus im 19. Jhd. usw.
In den Hindu-Religionen sind auch eine Menge Missstände festgestellt worden. Man kann eine ganze Reihe von indischen Religion als Reformen innerhalb des Hinduismus verstehen. So hatte sich Buddha gegen das Kastensystem und gegen religiösen Extremismus (wie z.B. Asketismus) ausgesprochen. Seine Kritik und seine Anhänger wurden später vom Hinduismus abgetrennt, quasi als neue Kaste. Ähnliches kann man über den Jainismus, die Sikhs und die Ramakrishna-Mission aussagen. Die letzten beiden lehnen das (vererbbare) Priestertum, die Bilderverehrung, die Wallfahrten usw. ab. Und sie bekämpfen den Bettel mit Verboten und Armenküchen. Wie damals die Reformierten in Zürich und Genf! Wie weit die Religiosität der Hindus bereit ist, sich selber zu reformieren, wird sich noch zeigen müssen. Als grösste Missstände gelten bei fast allen aufgeklärten Hindus die Sati (Witwenverbrennung), Devadasi (Tempelprostitution), casts (Kastensystem). Über anderes mag man eher diskutieren: schlecht ausgebildetete Pandits (Priester), Exremformen der Gläubigkeit, Verbindung von Bettel und Religiosität, Verbindung von Reichtum und Macht mit Tempelneubauten, Verpolitisierung von Religion usw.

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